Eine Fotoausstellung in Berlin beleuchtet Herausforderungen im Alltag von gering literalisierten Erwachsenen

Fast jede Berlinerin und jeder Berliner hat es schon einmal gehört: „Verzeihung, ich habe meine Brille vergessen, wohin fährt dieser Zug? Hält dieser Zug an der Station XY?“

Angesichts von Anzeigetafeln und Zugplänen liegt ein saloppes „Steht doch da!“ der einen oder anderen Berliner Schnauze schnell auf der Zunge. Für 6,2 Millionen Menschen in Deutschland sind Informationen in Schriftsprache aber eben nicht sofort lesbar und verständlich. Sie brauchen fürs Lesen mehr Zeit oder können in Stresssituationen ihre Lese- und Schreibkompetenzen nicht so schnell abrufen.

Die Ausstellung „Steht doch da“ verdeutlicht, wie viele wichtige Informationen über Schrift vermittelt werden und vor welchen Hindernissen Menschen mit Lese- und Schreibproblemen im Alltag stehen. Grundlage für die vielfältigen Perspektiven der Ausstellung sind Gespräche, die das Alpha-Bündnis Friedrichshain-Kreuzberg, der Arbeitskreis Orientierungs- und Bildungshilfe (AOB) e.V. und das Mehrgenerationenhaus Gneisenaustraße mit Lernerinnen und Lernern geführt haben. Berührt werden dabei die Bereiche Arbeit, Freizeit, kulturelle Teilhabe, digitale Praktiken, Weiterbildung, Gesundheit, Politik und Verkehr. So finden sich auf dem Flur des Büros der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann Fotos von Wahlzetteln, Speisekarten, Klingelschildern und Stellenausschreibungen.

Die gewählte Perspektive ist dabei immer der Blick über die Schulter eines Menschen, der vielleicht auch zu jenen Personen zählt, die Lese- und Schreibprobleme haben. Ganz bewusst lässt die Ausstellung offen, wem der Betrachter / die Betrachterin über die Schulter schaut. Es soll verdeutlicht werden, dass auch in unserem näheren Umfeld oder der Nachbarschaft Menschen mit diesem Problem leben, ohne dass wir davon wissen.
Denn Heimlichkeit und Strategien zur Tarnung sind für viele Menschen mit Lese- und Schreibproblemen Teil ihres Alltags. Bürgermeisterin Monika Herrmann erklärt: „Damit sensibilisiert die Ausstellung die anderen für die Thematik und führt hoffentlich dazu, dass sie künftig nicht mehr mit einem flapsigen „Steht doch da“ reagieren.“

Die Fotoausstellung befindet sich vom 28.10. – 31.12.2019 auf dem Flur des Büros der Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg, Frankfurter Allee 35/37, 10247 Berlin.

Von Friederike Risse