Selbsthilfegruppe „Wortblind“ aus Lüneburg trifft Schweizer Botschaftergruppe Mittelland des Vereins Lesen und Schreiben

Am Mittwoch 20. Januar 2021 haben sich vier Mitglieder der Selbsthilfegruppe „Wortblind“ aus Lüneburg mit drei Botschafterinnen und Botschaftern aus der Schweiz zu einem fachlichen und persönlichen Austausch zusammengefunden. Organisiert und begleitet wurde der Austausch vom ALFA-Mobil als Bindeglied zwischen den beiden Gruppen sowie durch die Betreuerinnen der Gruppen Tanja Patzwaldt (VHS Lüneburg), Gabriela Thiem (SHG Wortblind Lüneburg) und Paula Klemt (Lesen und Schreiben Bern).

Das Treffen fand über die Plattform Zoom statt, da das erste geplante Treffen im März 2020 auf der Leipziger Buchmesse pandemiebedingt ausfallen musste. Trotz anfänglicher technischer Schwierigkeiten fanden gegen 16:00 alle den Weg in die anderthalbstündige Online-Konferenz, die mit einer kurzen Vorstellungsrunde und Beschreibung der beiden Gruppen und ihrer Tätigkeiten begann.

Beide Gruppen setzen sich aus (aktuellen und ehemaligen) Kursteilnehmenden zusammen, die im Erwachsenenalter das Lesen und Schreiben (besser) gelernt haben und nun das Thema in die Öffentlichkeit tragen und Menschen für die Problematik der Geringen Literalität sensibilisieren möchten. In Deutschland sind rund 12% der Bevölkerung betroffen, in der Schweiz liegt der Wert in der deutschsprachigen Bevölkerung bei etwa 10%. Umso wichtiger ist der Einsatz der beiden Gruppen, denn das Thema ist laut Tanja Patzwaldt von der VHS Lüneburg noch immer tabubehaftet und „gesellschaftlich manchmal noch schwierig“.

„Die Selbsthilfegruppe Wortblind Lüneburg hat klein angefangen, aber hat mittlerweile einen großen Aktionsradius!“, so die Betreuerin Gabriela Thiem. Die Mitglieder berichten einander von verschiedensten Aktionen in der Öffentlichkeit wie z.B. einem Infostand in der Lüneburger Innenstadt gemeinsam mit dem ALFA-Mobil, Schaufenster-Aktionen in Buchhandlungen zum Weltalphabetisierungstag, Beiträgen im Radio oder Auftritten auf der Leipziger Buchmesse. Auch in der Schweiz ist man aktiv in der Öffentlichkeit tätig, um auf das Thema aufmerksam zu machen – so werden von der Botschaftergruppe Presseanfragen bedient und künftig sollen Videobotschaften an wichtigen Orten aufgenommen werden, z.B. beim Sozialamt. Immer stellt sich bei dieser Arbeit laut Jutta Schmitt aus der SHG „Wortblind“ die Frage: „Wo können Leute [zu finden] sein, die betroffen sind?“ und Gabriela Thiem beschreibt es als „Basisarbeit, um von unten die Problematik zu erklären.“

Neben dem Austausch über Vorgehen und Möglichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit oder der Kurssituation in Deutschland und der Schweiz wurden auch persönliche Themen und Lebensgeschichten beim Treffen angesprochen. So berichtete die Botschafterin Anita von ihren Erfahrungen mit Lese-Rechtschreib-Schwäche während der Schulzeit und verglich das Lernen mit Legasthenie auf Schweizer Art und Weise damit, immer die Letzte beim Skifahren zu sein und somit immer am Limit zu arbeiten. „Mit LRS lernt man kämpfen, schon im Kindesalter!“

Um im Kampf gegen Geringe Literalität auch weiterhin Erfolge zu erzielen, aussichtsreiche Ideen für die Arbeit miteinander teilen zu können und so einander zu unterstützen, äußerten beide Gruppen am Ende des Treffens ihren Wunsch danach, auch weiterhin in Kontakt zu bleiben und sich nach Möglichkeit auch einmal vor Ort zu treffen. Deutlich wurde am Mittwochnachmittag, dass Vernetzung innerhalb der Grundbildung nicht nur für fachliche Akteure relevant ist, sondern auch für die Betroffenen selbst, um zu verstehen, dass sie nicht alleine sind.